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Bestiarium der Pass Ag Rhetorik
#Gütersloh, 30. August 2025
Die Welt der Alltagskommunikation ist bevölkert von kleinen, oft unscheinbaren, aber hochwirksamen #Sprachwesen: passiv aggressiven (»pass ag«) Sätzen. Sie sind die rhetorischen Mückenstiche des Alltags – nie groß genug, um einen offenen #Streit zu rechtfertigen, aber schmerzhaft und zermürbend. Im Folgenden findet sich eine Auswahl der verbreitetsten #Exemplare, samt Analyse und möglichen Strategien zur #Entschärfung.
»Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.«
Einer der bekanntesten Vertreter ist der Satz »Wer #lesen kann, ist klar im #Vorteil.« Er klingt harmlos, fast wie eine ironische Binsenweisheit. Doch in Wahrheit steckt er voller Gift: Er unterstellt dem Gegenüber fehlende Lesekompetenz, wertet sich selbst auf und beendet zugleich jede weitere Diskussion. Die eigentliche Botschaft lautet: Ich bin klüger, du bist dumm. Ein möglicher Konter ist, das Offensichtliche ins Positive zu drehen: »Danke, dass du mir das Lesen bestätigst – können wir jetzt über Inhalte sprechen?«
Verwandt damit ist der ebenso knappe wie abweisende Satz »Steht doch alles da.« Auch hier wird nicht auf eine konkrete Frage eingegangen, sondern jede Nachfrage als unnötig abgewertet. Der Sprecher macht sich frei von der Pflicht zur Erklärung und schiebt die Verantwortung allein dem anderen zu. Ein möglicher Ausweg: »Dann erklär’s mir bitte so, wie du es verstanden hast – das klärt mehr, als nur zu verweisen.«
Eine weitere Variante ist »Das ist doch allgemein bekannt.« Hier dient der Satz als #Diskursblockade und grenzt all jene aus, die sich nicht auf demselben Wissensstand befinden. Statt Aufklärung zu ermöglichen, wird Unwissen als Makel dargestellt. Das Gegenmittel: die #Selbstverständlichkeit ins #Gegenteil wenden – »Mag sein, und gerade deshalb lohnt es sich, es noch einmal sauber zu erklären.«
Besonders autoritär tritt der Satz »Ich sag’s jetzt nur einmal.« auf. Er markiert eine #Hierarchie: Die eine Seite spricht, die andere hat zu hören. #Nachfragen sind unerwünscht. Hier hilft es, die Einmaligkeit rhetorisch produktiv zu machen: »Dann lass uns die einmalige Gelegenheit nutzen, es gut und nachvollziehbar zu machen.«
Opferinszenierung
Eine andere Spezies arbeitet mit #Opferinszenierung. Der #Klassiker lautet »Man wird ja wohl noch sagen dürfen …«. Die Redewendung immunisiert den Sprecher vorsorglich gegen Kritik und stellt ihn zugleich als bedroht dar. Sie ist ein rhetorischer Schutzpanzer, der jede Gegenrede als Angriff erscheinen lässt. Die wirksamste Replik ist, die Logik zurückzudrehen: »Natürlich darfst du das sagen – genauso wie ich widersprechen darf.«
Oft sind es aber nicht die großen Sätze, sondern die kleinen Spitzen, die Wirkung entfalten. »Regen dich jetzt Kleinigkeiten schon auf?« ist ein typisches Beispiel für sogenanntes Gaslighting light. Das Problem wird verkleinert, die Emotion des Gegenübers ins Lächerliche gezogen. Wer das nicht stehen lassen möchte, kann die Relativität betonen: »Es ist vielleicht klein für dich, für mich aber wesentlich – und das verdient Respekt.«
Beliebt ist auch der Rückzug ins #Ironische: »War doch nur #Spaß.« Dieser Satz hebelt jede Kritik am zuvor Gesagten aus, indem er die Verantwortung in den Humor verschiebt. Wer hier standhält, kann das Spiel umdrehen: »Gut – und mein Ernst ist jetzt, dass es trotzdem respektlos war.«
Zum Schluss ein unscheinbares, aber scharfes Exemplar: »Wenn du meinst …«. 2 Worte, die jedes #Argument entwerten, ohne es überhaupt anzuhören. Das Gegenüber soll in die Belanglosigkeit abgeschoben werden. Eine #Möglichkeit zur #Gegenwehr ist, den Satz ernst zu nehmen und ihn mit Inhalt zu füllen: »Ja, ich meine – und ich erkläre auch gern, warum.«
Verschiedene Wirkungstypen
Dieses kleine #Bestiarium ist nur ein Anfang. Passiv aggressive Sätze lassen sich grob in verschiedene Wirkungstypen einteilen: Blockaden (»Steht doch alles da«), Herabsetzungen (»Wer lesen kann …«), Opfer Inszenierungen (»Man wird ja wohl …«), Gaslighting Formeln (»War doch nur Spaß«) und Abwertungen durch Pseudogelassenheit (»Wenn du meinst …«). Allen gemeinsam ist, dass sie den Diskurs nicht öffnen, sondern schließen. Sie stellen keine Brücken, sondern Mauern auf – meist subtil, aber wirkungsvoll.
Das Wissen um diese Sprachwesen ist der 1. Schritt, sie unschädlich zu machen. Denn wer sie erkennt, kann sie benennen – und allein damit verlieren sie schon einen Teil ihrer #Macht.